SIND SIE FÜR ODER GEGEN DIE
TODESSTRAFE?
Hallo. Mein Name ist Daiji. Ich bin ein zum Tode verurteilter Gefangener und sitze seit fast 39 Kalenderjahren im Todestrakt von Oklahoma. Ich bin neugierig, sind Sie für oder gegen die Todesstrafe? Leider ist es eine Entweder-Oder-Situation. In bestimmten Fällen für die Todesstrafe zu sein bedeutet, in allen Fällen für die Todesstrafe zu sein. Man kann nicht für die Hinrichtung von Menschen sein, die Kinder oder Polizisten ermorden, aber nicht für die Person, die gerade aufgewacht ist und jemanden erschossen hat. Es ist das Gesetz, das entscheidet, wer für die Todesstrafe in Frage kommt und wer nicht, und Sie, der Wähler, haben die Verantwortung zu entscheiden, ob Sie in Ihrem Land für die Todesstrafe stimmen. Die Gesetzgeber machen das so, um den Bürgern die Verantwortung abzunehmen, mit einer einfachen Ja- oder Nein-Stimme zu entscheiden, wer hingerichtet werden soll. Diese Stimme macht Sie zu einem Verbündeten des Staatsanwalts, für den Sie gestimmt haben (in den USA [Anm. d. Red.]), und macht es wahrscheinlicher, dass Sie für eine Verurteilung stimmen, sollten Sie jemals als Geschworener in einem Mordfall eingesetzt werden. Auch das ist beabsichtigt. Sie haben diese Person in ihr Amt gewählt, Ihr Gehalt wird von Ihren Steuergeldern bezahlt, und Sie möchten wirklich nicht, dass Sie für jemanden stimmen, der seine Arbeit nicht so macht, wie sie eigentlich gemacht werden sollte, oder? Lassen Sie mich also fragen, ob Sie jemals mehr als nur "gut für ihn" gedacht haben, als Sie von jemandem hörten, der von einem Verbrechen entlastet und freigelassen wurde, an dem er eigentlich/faktisch unschuldig war, nachdem er 10, 20, 30 oder mehr Jahre im Gefängnis gesessen hatte. Nun, sicher, Fehler passieren, nicht wahr? Wahrscheinlich war es keine Absicht, und, na ja, die Wahrheit wurde herausgefunden, und der Mann wurde freigelassen. Das System hat funktioniert. Verfolgen wir das noch ein wenig weiter. Wenn so etwas in Strafsachen, die nicht mit der Todesstrafe geahndet werden, passieren kann, dann folgt daraus zwangsläufig, dass so etwas auch in Fällen mit Todesstrafe passieren kann. Tatsächlich ist die Zahl der Entlastungen von zum Tode verurteilten Gefangenen in den Vereinigten Staaten in den letzten 25 Jahren erstaunlich hoch für ein Land, das so sehr an die Rechtsstaatlichkeit glaubt. Um noch einen Schritt weiter zu gehen: Wenn die Zahl der Entlastungen von Gefangenen, ob mit oder ohne Todesurteil, so hoch ist, muss man sich die Frage stellen, ob ein Unschuldiger im Namen der Bürger dieses Staates hingerichtet wurde? Ich meine, wenn Sie für die Todesstrafe sind, dann werden alle Hinrichtungen in Ihrem Namen vollstreckt. Das wiederum bedeutet, dass Sie das Blut eines Unschuldigen an Ihren Händen haben. Wie könnte es anders sein? Sie haben mit "Ja" gestimmt. Dann stellt sich die Frage, wo Sie persönlich die Grenze ziehen, ab der Sie die Hinrichtung unschuldiger Frauen und Männer akzeptieren? Welche Zahl ist für Sie akzeptabel? 5? 10? Und wenn es eine ist: Was sagt das über Sie und Ihre Moral aus? Wie unterscheiden Sie sich von einem kaltblütigen Mörder? Wissen Sie, wie die in Ihrem Namen durchgeführten Hinrichtungen durchgeführt werden? So aseptisch, kalt und vorsätzlich wie möglich. Manchmal wird es nicht richtig gemacht und der Gefangene leidet sehr, bevor er schließlich stirbt. Stellen Sie sich vor, dass Sie auf einem Tisch festgeschnallt sind, so dass Sie sich nicht bewegen können, dass Ihnen ein Medikament injiziert wird, das Ihr Zwerchfell lähmt, und dass Sie bei Bewusstsein sind, während Sie um den Atem ringen, den Sie nicht nehmen können, bevor Sie schließlich sterben. Das kann ein paar Minuten dauern. Es könnte auch länger dauern. Dies sind die Gründe für die Entscheidung, Hinrichtungen hinter Gefängnismauern durchzuführen, weit weg von den Augen der Öffentlichkeit, und wo die Gefängnisverwaltung kontrolliert, wer der Hinrichtung beiwohnen darf. Aus den Augen, aus dem Sinn. Man denkt überhaupt nicht darüber nach. Oh, vielleicht doch, wenn man in den Nachrichten davon hört, wenn es überhaupt erwähnt wird. Hier in Oklahoma waren Hinrichtungen früher der Aufmacher in allen 4 großen Nachrichtensendern... Jetzt, nach 124 Hinrichtungen seit 1990 und 12 allein in den letzten 2 Jahren (in Oklahoma (mit weiteren 12, die im Abstand von 60 Tagen folgen werden), werden Hinrichtungen mit nur einer Handvoll Worten erwähnt. Über eine Katze im Baum wird mehr berichtet als über die wichtigste Nachricht im Staat Oklahoma - die Hinrichtung eines zum Tode verurteilten Gefangenen im Namen der Bürger des Staates Oklahoma. Auch dies ist beabsichtigt. Da dies so regelmäßig geschieht, ist es keine so große Sache, oder? Eine weitere Form von "aus den Augen, aus dem Sinn". Keine Sorge, Bubba und Bubbbalou Oklahoman, wir sagen Ihnen, was Sie wissen müssen und wann. Was könnte ich Ihnen sagen, das Sie veranlassen würde, Ihre Haltung zur Todesstrafe zu überdenken? Ich stelle nicht Ihre Moral, Ihre Ethik, Ihre Glaubensüberzeugungen, Ihre Normen und/oder Ihre Werte in Frage. Ich stelle nur eine Frage an Sie, eine berechtigte Frage. Man kann nicht mit Sicherheit sagen, dass die Todesstrafe zukünftige Morde verhindert - die Staaten mit Todesstrafe in den USA haben statistisch gesehen die höchste Anzahl von Morden pro Kopf der Bevölkerung im Vergleich zu den Staaten ohne Todesstrafe. Das ist also nicht der Fall. Die Hinrichtung des Mörders hält sie/ihn davon ab, wieder zu töten. Das Gleiche gilt für eine lebenslange Haftstrafe ohne Bewährung - statistisch gesehen sind zum Tode Verurteilte Ersttäter, während die Gefängnisse von Oklahoma mit Häftlingen gefüllt sind, die mehrere Zellengenossen ermordet haben und deren Strafe gerade um weitere Jahre verlängert wurde. Das wirft die Frage auf: Ist die Todesstrafe ein politisches Instrument, das von lokalen Staatsanwälten eingesetzt wird, um ihre Karrierechancen zu verbessern, die Gouverneursposten, Richterämter oder den Posten eines Bundesstaatsanwalts umfassen können? Würden wir nicht ein Auge zudrücken, wenn wir diese Möglichkeit nicht in Betracht ziehen? Ich meine, es sind die örtlichen Staatsanwälte, die allein darüber entscheiden, in welchen Fällen die Todesstrafe verhängt wird und in welchen nicht. Das wussten Sie doch, oder? Es war schön, mit Ihnen zu sprechen. Ich hoffe, wir sehen uns wieder. Falls nicht, wünsche ich Ihnen alles Gute bei Ihre Zukunft. Daiji, 28.04.2023 |
HIER GIBT ES KEINE GEWINNER
Ich bin seit fast 39 Jahren hier und habe mich damit abgefunden, dass ich ein Unschuldiger bin, der von derselben Justiz, die gegen mich ermittelt hat, seiner Möglichkeit beraubt wurde, sich zu verteidigen, und dieselbe Gesellschaft, die mich großgezogen hat, gebeten hat, mich wegzuwerfen wie ein zusammengerolltes Blatt Papier. Ich habe alle Phasen durchlaufen: die Wut auf die Gesellschaft, die Wut auf alle Beteiligten, die Wut auf die Strafverfolgung, die Wut auf die Welt. Dann der Wunsch, es selbst in Ordnung zu bringen. Ich wurde Anwaltsgehilfe und begleitete meine Berufungen auf Schritt und Tritt. Manchmal trug ich dazu bei, manchmal bellte ich nur den Mond an. Dann kam die Akzeptanz. Dieser Teil kam daher, weil ich 1998 Buddhist wurde und alles, was damit zusammenhängt, ernst nahm. Sie verstehen die spirituellen Konzepte, die hier im Spiel sind. Der Gleichmut, das Verständnis für die Verrücktheit des Zorns und so weiter und so fort. Außerdem, Mann, bin ich so müde. Fast 40 glatte Kalenderjahre im Gefängnis, die Zeit im Bezirksgefängnis mitgerechnet. Die Gleichartigkeit der Tage, die Gleichartigkeit des Essens, die Gleichartigkeit der Routine, vom Aufwachen am Morgen bis ich nachts in die seligen Arme des unruhigen Schlafs falle. Die Gleichartigkeit jedes Gesprächs. Die Gleichartigkeit von fast allem, was meine Sinne erfüllt - was ich sehe, höre, schmecke, berühre, rieche und bin. Die Wahrheit ist also, dass der Tod für mich, nicht die Strafe ist, für die die Gesellschaft, die mich hierher gebracht hat, ihn hält. Nein nein nein nein nein! Es ist eine Form der Freiheit. Was mir jede Sekunde, jede Minute, jede Stunde, jeden Tag, jede Woche, jeden Monat, jedes Jahr angetan wurde, kann mir nicht mehr angetan werden. Sicher, als Buddhist werde ich einige Zeit in den Höllenreichen verbringen und genug schlechtes Karma abarbeiten, um zur nächsten Sache überzugehen. Manche werden das bejubeln, andere vielleicht nicht. Aber sind fast 40 Jahre eintönige Gleichförmigkeit besser oder schlechter als die Höllenreiche, wenn man sie miteinander vergleicht? Ich weiß es nicht. Ich werde es euch wissen lassen. Die Sache ist die, dass ich nicht dort bleiben muss. Das ist Gnade. Mein Buddhismus prägt also meine kosmische Sicht der Hinrichtung. Was mich sehr stört, ist, dass fast alle Akteure in dieser üblen kleinen Inszenierung die wichtigste Akteurin völlig übersehen haben - Layla Dawn Marie Cummings, das wunderschöne siebenjährige Kind, das mitten in der Nacht aus seinem Bett entführt, brutal vergewaltigt und dann erstochen und auf einem Feld in Südwest-Oklahoma abgelegt wurde. Sie steht nicht mehr im Mittelpunkt, es sei denn, es ist angebracht, sie zu erwähnen. Ich habe mich nicht von ihr abgewandt, nicht eine Sekunde lang. Irgendwo da draußen ist ihr Entführer, ihr Vergewaltiger, ihr Mörder. Nebenbei bemerkt, weniger als ein Jahr nach dem Mord an Layla wurde in Dallas, Texas, ein kleines Mädchen, etwa 7 Jahre alt, aus ihrem Bett gestohlen. Zufall oder der Spielplatz des Angreifers? Nun, die Wahrheit ist, dass ich noch keinen aktiven Hinrichtungstermin habe. Ich rechne damit, dass in naher Zukunft ein Termin festgelegt wird, und zwar bereits im August oder erst im Oktober dieses Jahres. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines zum Tode verurteilten Gefangenen in Oklahoma liegt bei 12-14 Jahren. Meine Langlebigkeit allein sollte auf die Probleme mit meiner ungerechtfertigten Verurteilung und meinem Todesurteil hinweisen. Das ändert aber nichts an meiner Einstellung, in den Lauf der Giftspritze zu schauen. Es hat lange auf sich warten lassen. Ich werde auf eine Trage geschnallt, eine Nadel wird in meinen Arm gestochen und ich werde vergiftet. Auf meinem Totenschein wird unter der Todesursache "Mord" stehen. Von diesem Moment an habe ich keine Wahl mehr. Ich kämpfte meine Kämpfe. Ich stand in der Mitte des Rings und kämpfte bis zum letzten Atemzug. Ich habe gut gekämpft, aber ich habe gekämpft und bin gefallen. Hier gibt es keine Gewinner. Es gibt keinen Abschluss für irgendjemanden, der in diese Sache verwickelt ist. Sie werden es herausfinden. Mitten in der Nacht werden sie mit dem gleichen Herzrasen und der gleichen schweißgetränkten Bettwäsche aufwachen. Vielleicht sollten sie das. Vielleicht aber auch nicht. Das kann ich nicht sagen. Jetzt nicht mehr. Ich spreche allen, die an dieser Sache beteiligt sind, mein Mitgefühl aus. Es wird für niemanden lustig oder leicht sein. Daiji, 20.04.2023 |
RATTENRENNEN
Ich weiß nicht so recht, wie ich deine Frage beantworten soll, wie es mir geht, seit 38 Jahren hier zu sein. Während dieser ganzen Zeit habe ich mich energisch darum bemüht, meine Unschuld zu beweisen, und das in einem Justizsystem, das mir 38 Jahre lang jede mögliche Chance dazu verwehrt hat. Die kurze Antwort lautet, dass man sich an alle Bedingungen gewöhnen kann, die man zu ertragen gezwungen ist. Es ist ein Prozess, der mit Wut beginnt und sich zu etwas entwickelt, das nicht mehr wie Wut aussieht. Ich habe versucht, ein passendes Wort zu finden, konnte aber keins finden. Ehrlich gesagt, ist das Gefängnis nur ein weiteres "Rattenrennen". Eine kleine, kontrollierte Gemeinschaft mit guten Jungs, bösen Jungs, Schneidern, Künstlern, Musikern, Sängern, Sportlern, Studenten, Predigern, Betrügern, Dieben, Köchen, Handwerkern, Buchmachern, Glücksspielern - genau wie bei euch in Kassel. Bis 2009 konnten hier im H-Block die Häftlinge in den "Hof" (eine 63,5cm x 63,5cm x 63,5cm-Zementbox mit einer stark abgeschirmten Öffnung an der Oberseite) gehen, jeweils 6 Mann. Wir spielten Handball, Basketball, Karten, Domino oder saßen einfach nur da und unterhielten uns. Die Beamten öffneten einfach die Zellentür (elektronisch, vom Kontrollraum aus) und wir gingen einfach in den Hof, in die Dusche oder in den Besuchsraum. Dann beschloss die Gefängnisverwaltung aus angeblichen Sicherheitsgründen, dies abzuschaffen und stattdessen die arbeitsintensivere Praxis einzuführen, uns einzusperren und jeweils nur eine Zelle (1 oder 2 Gefangene) mit Handschellen zum/vom Hof/Duschraum/Besuchsraum/woanders hin zu lassen. Natürlich hat diese Aktion die Beamten mächtig verärgert, und Sie wissen ja, wie es ist, wenn die Scheiße den Berg hinunter rollt, oder? So sehr ich es auch hasse, es zuzugeben - ich bin so gut wie institutionalisiert. Ich habe hier auch nach einem besseren Wort gesucht. Es gibt keins. Daiji, 14.04.2023 |
DAS LOCH
Okay, "das Loch". Kleiner Zusammenhang: Zeichne ein Quadrat und teile es in 4 gleiche Teile. Teilen Sie jedes Quadrat in Ost/West-Richtung in zwei Hälften. Das ist ein sehr einfaches Diagramm der H-Unit. Es gibt 4 Wohnquadrate (NE, NW, SE und SW), die in 2 Abschnitte unterteilt sind. Jeder Abschnitt enthält mindestens 24 Zellen. Mit Ausnahme von NW2 und SW4 sind in allen Zellen 2 Gefangene untergebracht. Die Disziplinareinheit (NW2) oder "das Loch" unterscheidet sich strukturell nicht von den anderen Zellen der H-Unit. Sie können online Fotos finden. Du bist allein in einer dieser Zellen. Sie kannst nicht mehr als deine Boxershorts anhaben. Du kannst keine Matratze haben. Du darfst kein Bettzeug haben. Du darfst keinen Lesestoff (auch keinen religiösen) haben. Du darfst im Winter nicht heizen und im Sommer nicht klimatisieren. Du darfst nicht regelmäßig duschen. Du darfst kein Toilettenpapier haben. Du kannst Seife, Shampoo, Zahnbürste, Zahnpasta, Briefmarken, Papier und Briefumschläge nur in der Kantine kaufen. Keine Lebensmittel, auch keine Vitamine. Vitamine gelten als Lebensmittel. Noch eine Bemerkung: Diese Einheit ist aus Zementplatten gebaut, riesigen Zementplatten. Keine Isolierung. Durch diese Bauweise ähneln die einzelnen Zellen sehr stark den Fleischkästen. Die Wände der Zellen strahlen das ganze Jahr über Kälte ab. Zement "wärmt" nicht, wenn man darauf liegt - der Körper passt sich einfach an die Kälte an, wenn er kann. Ich kam am 09.01.2020 in das Loch. Die ersten 7 Wochen verbrachte ich nur in meinen Boxershorts und ohne Matratze und Bettzeug. Ich schlief auf einer zwei Tonnen schweren Zementpritsche. Ich bekam eine 5-Minuten-Dusche pro Woche. Manchmal erhielt ich eine Rolle Toilettenpapier. Ich benutzte entweder meinen Plastikausweis oder meine Finger zum Essen. Ich versuchte, mich warm zu halten, indem ich zwischen der Toilette im hinteren Teil der Zelle und der Zellentür im vorderen Teil hin und her lief. Da ich seit 1991 in H-Unit lebte, wusste ich, dass 352 "Runden" einer Meile entsprechen...Ich habe mich bis zu 20 Meilen pro Tag hochgearbeitet. Ich habe von 09.01.2020 bis 20.03.20 ca. 20 Pfund abgenommen. Ich möchte hier nicht wie ein harter Kerl klingen - ich bin praktizierender Zen-Buddhist und das schon seit geraumer Zeit, und weil das so ist: Hätte ich Schlimmeres ertragen können. Es gibt Gefangene in den USA und auf der ganzen Welt, die täglich unter viel schlimmeren Bedingungen leben, als ich es etwa 90 Tage lang tat. Da ich mir dessen bewusst bin, werde ich mich nicht über „Unannehmlichkeiten“ durch meine Wärter beschweren. Der weitaus schlimmere Teil eines Gefängnisaufenthalts ist der Verlust von persönlichem Eigentum. Den Gefangenen hier in diesem Gefängnis ist es grundsätzlich erlaubt, bestimmte Gegenstände in bestimmten Mengen zu besitzen. Sollten Sie im Gefängnis landen, wird das Personal der Vermögensabteilung Ihren Besitz durchsuchen und alles wegnehmen, was sie wollen. Ein Gefangener kann oft nicht beweisen, dass er es legal besessen hat, und das bedeutet, dass ein Gefangener nicht beweisen kann, dass es entwendet wurde. Sie wissen das. Wir wissen das. Auch dies ist also ein Instrument der Kontrolle. Ich bin seit fast 40 Jahren hier und weiß das eine oder andere, weil ich hier viel erlebt und gesehen habe. Daiji, 18.07.2023 |
HINRICHTUNG VON JEMAINE
CANNON AM 20 JULI 2023
Mein Freund, Jemaine Cannon, wurde vor zwei Stunden vom Staat Oklahoma hingerichtet. Ich kannte Jemaine seit fast 30 Jahren. Er wuchs in Flint, Michigan, auf, etwa 40 Meilen nördlich meiner Heimatstadt Detroit, Michigan. Wir hatten also diese Gemeinsamkeiten als Grundlage für unsere Freundschaft. Irgendwo muss man ja anfangen, oder? Mit Menschen, die von dort kommen, wo man herkommt, verbindet einen eine Art Verwandtschaft – gemeinsame Erfahrungen, gemeinsame Bräuche, die Kenntnis der gleichen Orte, das Anfeuern der gleichen Sportmannschaften. Ähnlich wie wenn man im Urlaub in Thule, Grönland, auf jemanden trifft, der aus der Gegend kommt, aus der man selbst kommt. Das sind also die Bausteine. Ein anderer Mann aus Detroit kam hierher und wir haben uns schnell mit ihm angefreundet. Aus den gleichen Gründen. Der Todestrakt ist eine kleine Gemeinschaft. Wir wurden wie die drei Musketiere – alle für einen, einer für alle. Das hielt über 20 Jahre an. Scott wurde im Januar dieses Jahres hingerichtet. Am 6. Juli wurde ich aus dem Zellenblock verlegt, in dem Jemaine und ich in den letzten drei Jahren Nachbarn waren. Ich war zwar froh, aus einem noch engeren Zellenblock umziehen zu können, aber ich war am Boden zerstört, weil ich meinen Freund im Stich lassen musste. Ich hätte mich weigern können umzuziehen, aber dann wäre ich wegen Verweigerung eines direkten Befehls ins „Loch“ gewandert, also wäre ich immer noch nicht dort. Ich weiß, was Sie denken, aber nein – Verlassen ist Verlassen. Das war der Berg, auf dem ich sterben wollte, und ich habe versagt. Das lässt man nicht auf sich beruhen. Man baumelt dort für immer, weil man seine Freunde nie vergisst. Auf dem Weg von der Flucht hielt ich an Jemaines Zelle an, und die beiden Typen, die mich begleiteten, fingen an, mich zu beschimpfen, weil ich angehalten hatte. Ich drehte mich zu ihnen um, sah ihnen direkt in die Augen und sagte: „Schreib den Strafzettel, benutze das Pfefferspray, das an deinem Batman-Gürtel hängt, oder nimm sie hoch – der Dealer hat die Wahl. Während ihr euch entscheidet, werde ich reden.“ Ich glaube nicht, dass das, was ich gesagt habe, irgendeinen Einfluss darauf hatte, dass die Polizisten mir diese Chance gegeben haben. Ich denke, es war die Traurigkeit in meinem Tonfall, in meinem Gesicht. Wir konnten uns also doch verabschieden. In Drei-Punkt-Fesseln kann man sich die Tränen nicht abwischen. So hart bin ich nicht. Ich bin nicht so hart, nicht wenn es um so etwas geht. Ich bin seit fast 40 Jahren hier. Die Hinrichtungen in Oklahoma wurden im September 1990 mit Charles Coleman wieder aufgenommen. Ich war bei weit über 100 Hinrichtungen hier – ich kannte jeden dieser Männer persönlich, kannte die Namen ihrer Mütter, die Namen ihrer Kinder, spielte Handball, Karten, Dominos, saß herum und erzählte Kriegsgeschichten mit ihnen und teilte die Mahlzeiten mit ihnen. Die meisten Menschen haben nie so viele Freunde gehabt. Zum Teufel, die meisten Menschen können nicht einmal 100 Personen nennen, die sie ihr ganzes Leben lang gekannt haben, einschließlich derer, die sie gesehen, über die sie gelesen oder die sie gewählt haben. Jemaines letzte Worte an mich, als ich durch das Tor des Zellenblocks ging, war ein geschrienes: „DETROIT VERSES EVERYBODY, MOTHER@#$%ERS!!“ Das war unsere Art zu sagen: „Man sieht sich.“ Also, danke, dass Sie dies lesen und ein paar Minuten an meinen Freund Jemaine Cannon denken. Möge Gott ihn segnen und ihm Trost spenden. Mögen die Buddhas und die Ahnen mit ihm auf seiner Reise sein. Möge er an einem sichereren, friedlicheren Ort wiedergeboren werden. Ich möchte mich bei ihm und für alles, was er für uns alle getan hat, bedanken. Ich bedanke mich bei allen Lesern und bei allem, was sie für uns alle tun. Ich lege meine Handflächen zusammen, Daiji, 20.07.2023 |
TODESTRAFE
Die Todesstrafe, wie sie in den USA praktiziert wird, ist einfach ein Instrument der Vergeltung. Die Befürworter der Todesstrafe, von denen es hier viele gibt, schwören darauf, dass sie abschreckend auf künftige Morde wirkt - als ob die Hinrichtung eines Mörders alle anderen davon abhalten würde, einen Mord zu begehen. Das ist einfach nicht wahr. Die Todesstrafe gibt es hier in den USA schon seit geraumer Zeit, und kein einziger Mord, der begangen wurde, wurde nicht abgeschreckt. Die Todesstrafe schreckt den Mörder nur davon ab, wieder zu morden. Lebenslänglich im Gefängnis tut das auch. Aber eine lebenslange Haftstrafe ist nicht förderlich für die Karriere. Die Todesstrafe ist in den USA auch ein politisches Instrument, das von Staatsanwälten in Kleinstädten und kleinen Bezirken in überlaufenen Bundesstaaten wie Oklahoma eingesetzt wird, um ihre Chancen auf einen Posten als Bezirksrichter oder als stellvertretender US-Staatsanwalt zu erhöhen. Und hier in Oklahoma halten sich diese Leute nicht an die Regeln, um eine Verurteilung zu erreichen. Richard Glossip ist das jüngste Aushängeschild für das miserable Justizsystem von Oklahoma. Richs Fall ist so verpfuscht, dass Oklahomas oberster Strafverfolgungsbeamter, der Generalstaatsanwalt, sich zum ersten Mal in der Geschichte Oklahomas dafür aussprach, dass Rich einen neuen Prozess bekommt, um ein offensichtliches Unrecht zu korrigieren (um fair gegenüber dem Generalstaatsanwalt zu sein, er denkt, dass Rich "vielleicht" schuldig ist, aber dass der Prozess so verpfuscht war, dass niemand wirklich weiß! ) und reichte beim Berufungsgericht von Oklahoma einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ein, und das OCCA hatte die unverschämte Dreistigkeit, ihn abzulehnen! Das zeigt, dass das einzige Berufungsgericht für Strafsachen in diesem Bundesstaat genauso korrupt ist wie sein Justizsystem. Sie denken jetzt vielleicht, dass ich ein Hühnchen zu rupfen habe, weil ich ein zum Tode verurteilter Gefangener in Oklahoma bin. Damit haben Sie teilweise Recht. Ich bin jetzt seit 38 Jahren hier und habe die ganze Zeit versucht, meine Unschuld zu beweisen, nur Oklahoma hat mir seit 1984 die Möglichkeit verweigert, das zu tun. Auf meiner Seite finden Sie einen kleinen Einblick in das, was mit mir passiert ist (schamlose Werbung). Die Sache ist die, dass ich, seit ich so lange hier bin, angefangen habe, die Art von Fragen zu stellen, die niemand den zum Tode verurteilten Gefangenen zu stellen scheint, wenn sie erst einmal im Todestrakt sind. Eine dieser Fragen hat mit dem Abschreckungswert der Todesstrafe zu tun. Kein einziger Mann hat sie jemals in Betracht gezogen. Nur wenige wussten überhaupt, dass es sie in Oklahoma gibt. So wie der Betrunkene, der sich mit der Polizei am Straßenrand streitet - er hat das Recht zu schweigen, er kann es nur nicht. Es gibt keinen einzigen kaltblütigen Mörder - einen professionellen "Killer" - unter den Todeskandidaten hier. Jeder von ihnen ist wegen etwas schrecklich Tragischem hier, das unter dem Einfluss von etwas passiert ist. Aber für dieses Etwas gibt es keinen Mord. Außerdem muss man bedenken, dass die Medizin festgestellt hat, dass der Teil des menschlichen Gehirns, der die Impulse steuert, erst im Alter von 25 Jahren voll ausgebildet ist. Die US-Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe verhängt wird, verfolgen also Menschen, von denen sie wissen, dass sie Probleme mit der Impulskontrolle haben, und erheben trotzdem Anklage. Hinzu kommt, dass die große Mehrheit der zum Tode verurteilten Gefangenen in den USA unterprivilegierte und entrechtete Minderheiten sind - amerikanische Staatsbürger, die nicht über die Mittel verfügen, sich vor einem amerikanischen Gericht zu verteidigen. Ich will damit nicht andeuten, dass Unterprivilegierte und Entrechtete als Entschuldigung für irgendetwas herhalten müssen. Ich will damit sagen, dass die Staatsanwälte in den Staaten, in denen die Todesstrafe verhängt wird, "Blut im Wasser wittern", wenn diese Personen vor Gericht gestellt werden. Vor kurzem gab es im tiefen Süden Amerikas einen Fall, bei dem ein reicher, einflussreicher weißer Anwalt seiner Frau und seinem Sohn die Köpfe weggeblasen hat, und die Todesstrafe wurde nie in Betracht gezogen. Hmmmm, hm? Für das Protokoll: Ich bin ein weißer Mann. Ich bin weder unterprivilegiert noch entrechtet. Nur in Oklahoma. Die Machthaber sind nicht in der Lage, den Bürgern ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, also gaukeln sie ihnen ein Gefühl der Sicherheit vor, indem sie Dinge wie die Todesstrafe einsetzen. Reaktiv gegen proaktiv, so eine Sache. Daiji, 7.11.2023 |